Samenfestes Saatgut vs. hybrides Saatgut: Worin liegt der Unterschied?

In einer Hand liegt samenfestes Saatgut, das aus einer Chili gekratzt wurde.

Als der Mensch vor etwa 13.000 Jahren sesshaft wurde, begann er, Einfluss darauf zu nehmen, was wann wo wachsen sollte. Wer gutes Saatgut identifizieren, Samen ernten und erneut aussäen konnte, erhöhte die Chancen, die Familie ernähren und mögliche Überschüsse sogar gegen andere Lebensmittel eintauschen zu können. Doch mit natürlicher Vermehrung und Auslese hat unser Saatgut im 21. Jahrhundert nur noch wenig zu tun. Heute liegt die Macht über das, was wir ernten und säen, fast ganz in den Händen einiger weniger Konzerne. Und alte, traditionelle, samenfeste Sorten sind denen ein Dorn im Auge. Was samenfestes Saatgut ist und welche Vorteile es bietet, darum soll es im Folgenden gehen.

Was ist samenfestes Saatgut und welche Vorteile hat es?

Samenfeste Sorten sind eigentlich das Natürlichste der Welt: Sie bilden fruchtbares Saatgut, aus dem Pflanzen gedeihen, die die gleichen Eigenschaften aufweisen wie ihre Mutterpflanzen. Dieses Saatgut kann sowohl von der Natur selbst als auch durch uns Menschen immer wieder neu ausgesät werden. Über die Jahre hinweg kommt es dabei lediglich zu geringfügigen Veränderungen. Etwa, wenn sich Pflanzen aus eigener Kraft an neue Umwelt-, Klima- oder Bodenverhältnisse anpassen.

Um diese Prozesse zu beschleunigen, gibt es die Bio-Züchtung. Diese bringt durch genaue Beobachtung und Bewertung, Auslese und Selektion standortangepasste, robuste und von Kunstdünger und Pestiziden unabhängige, samenfeste Sorten her.

Eine Frau entfernt die Kerne aus einem Kürbis. um sie als Saatgut zu gewinnen.
Samenfeste Sorten passen sich den Umweltbedingungen an.© Waschbär

Hybride: die Früchte der industriellen Landwirtschaft

Seit der Industrialisierung der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert rücken die Menschen der biologischen Vielfalt auf ihren Feldern und Wiesen nicht nur mit immer größeren Maschinen zu Leibe. Auch künstliche Düngemittel und Ackergifte kommen zum Einsatz. Um noch effizienter ackern zu können, wird auch am Saatgut herumgepfuscht. Durch gezielte genetische Manipulation wie die Kreuzung von Inzuchtpflanzen entsteht sogenanntes hybrides Saatgut mit scheinbaren Wunderkräften. Die Pflanzen, die daraus wachsen, locken mit besonders hohen Erträgen, intensiven Farben oder perfekt geformten Früchten. Doch es gibt einen Haken.

Nachteile von Hybridpflanzen

Anders als traditionelle, samenfeste Sorten können Hybridpflanzen ihre Eigenschaften nicht an die nächste Generation weitervererben. Sät man ihre Samen erneut aus, kommen deformierte, schwächliche Pflanzen zum Vorschein. Strenge Patentrechte verbieten sogar oft die Wiederverwendung dieser Samen.

Statt also dem Vorbild der Natur mit natürlicher Auslese und Vermehrung zu folgen, müssen Landwirte und Landwirtinnen, Hobbygärtner und Hobbygärtnerinnen immer wieder neues Hybridsaatgut bei Großkonzernen wie Bayer, Corteva, ChemChina und Limagrain nachkaufen. Diese kontrollieren mehr als die Hälfte des weltweiten Saatguts und haben praktischerweise meist auch den zum hybriden Saatgut passenden Cocktail aus künstlichem Dünger und Pestiziden im Angebot. Kein Zufall: Ohne Chemie wird aus vielen Hybriden nichts. So entstehen Abhängigkeiten, die unsere Ernährungssouveränität gefährden.

Waschbär-Tipp: Das Saatgut, das Sie in unserem Onlineshop kaufen können, vom Asiasalat bis zur Zuckererbse, ist durchgängig samenfest und damit nachbaufähig.

Genmanipuliertes Saatgut: Konzentration auf wenige Hochertragssorten

Um die Gewinnung genmanipulierten Saatguts so wirtschaftlich wie möglich zu machen, konzentrieren sich die großen Konzerne auf einige wenige Hochertragssorten. In diese stecken sie all ihre Forschung, Entwicklung und Patentierung. So kommt es, dass von den weltweit rund 30.000 essbaren Kulturpflanzen nur etwa 200 auf unseren Tellern landen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass durch die Konzentration auf einige wenige Sorten in den letzten 100 Jahren weltweit bis zu 75 Prozent aller Nutzpflanzen verloren gegangen sind. In der EU sollen es sogar rund 90 Prozent sein.

Samenfestes Saatgut erkennen, vermehren und tauschen

Zum Glück gibt es nach wie vor Menschen, Organisationen und Unternehmen, die sich um die Vermehrung und Bewahrung samenfester Sorten kümmern. Sorten, die ohne Ackergifte gute Ergebnisse liefern, von jedem vermehrt und nach Herzenslust getauscht werden dürfen.

Sie wollen Ihr eigenes samenfestes Saatgut mit anderen Hobbygärtnern und -gärtnerinnen tauschen? Schauen Sie sich zum Beispiel auf den Internetseiten von Tauschgarten.de oder der Saatgut-Tauschbörse um. Achten Sie beim Samentausch darauf, dass die Sorten nicht mit Patenten geschützt sind. Außerdem sollten die Samen zum Beispiel den Verweis „Open Source“ enthalten: Open-Source-Lizenzen schützen Saatgut als Gemeingut und verbieten seine Privatisierung.

Drei Personen sitzen an einem Gartentisch und tauschen samenfestes Saatgut, das sie aus ihrer Ernte gewinnen.
Samenfestes Saatgut lässt sich wunderbar tauschen – so kann man viele Sorten entdecken.© Waschbär

Übrigens: Wer unsicher ist, ob Saatgut samenfest ist oder nicht, sollte Samentütchen vor dem Einkauf stets genauer unter die Lupe nehmen: Hybride müssen mit dem Hinweis „F1“ gekennzeichnet sein.

Für mehr unabhängige Vielfalt: Initiativen für samenfestes Saatgut

Sie haben keinen eigenen Garten? Auch dann ist es möglich, dazu beizutragen, dass samenfeste Sorten nicht ganz von unseren Äckern und aus unseren Gärten verschwinden. Erkundigen Sie sich beim Einkauf von Obst und Gemüse zum Beispiel, ob es aus samenfestem Saatgut stammt. Sprechen Sie auch Menschen in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis auf das Thema an. Und unterstützen Sie gemeinnützige Organisationen und Stiftungen, die sich für den Erhalt und/oder die natürliche Weiterentwicklung samenfesten Saatguts stark machen, zum Beispiel

 

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