Baumporträt: Die Buche – der Baum des Jahres 2022

Einige große Buchen stehen auf einer Wiese, die durch die aufgehende Sonne in Licht getaucht wird.

Die Buche ist 2022 zum Baum des Jahres gekürt worden. Und das nicht das erste Mal! Die Dr. Silvius Wodarz Stiftung hatte sie 1990 schon einmal zum Baum des Jahres ausgerufen. Die erneute Nominierung hat einen Grund: So ist die Buche nicht nur der häufigste Laubbaum unserer Wälder, sondern leidet seit einigen Jahren auch vermehrt unter dem Klimawandel. Extreme Temperaturen und Trockenheit haben vielerorts zum Absterben von Buchenbeständen geführt.

Buchen muss man nicht suchen

Nach Buchen muss man nicht lange suchen, denn sie haben in Deutschland einen Anteil von 16 Prozent an der Waldfläche. Jeder sechste Baum ist also eine Rotbuche (Fagus sylvatica). Rotbuche ist eigentlich der korrekte Name, aber umgangssprachlich wird sie meist einfach nur Buche genannt. Der Name hat etwas mit dem rotbraunen Farbkern im Holz der Rotbuche zu tun. Dieser Rotkern bildet sich jedoch erst im Alter von 80 bis 100 Jahren. Buchen können bis zu 500 Jahre alt werden und erreichen eine Höhe von 40 Metern.

Früher war die Rotbuche noch wesentlich häufiger als heute. Deutschland war vor 2.000 Jahren nahezu komplett bewaldet, und die Buche war der dominierende Baum. Davon zeugen heute noch fast 1.600 Ortsnamen, die sich von der Buche ableiten.

Ohne Buche keine Buchstaben

Die Begriffe „Buch“ und „Buchstabe“ gehen sprachgeschichtlich auf die Rotbuche zurück. Das hat etwas mit der glatten Rinde zu tun: An Wanderwegen entdeckt man hin und wieder alte Buchen, in deren Rinde Namen oder Herzen eingeritzt sind. Ein Brauch, der eine lange Tradition besitzt. Schon vor fast 3.000 Jahren schrieb der Dichter Homer über die schöne Helena, sie habe die Namen ihrer Liebhaber in den Stamm einer Buche geritzt.

Warum gerade die Buche? Zum einen hat dies ganz praktische Gründe, denn wegen der dünnen, glatten Rinde eignet sie sich sehr gut für diesen Zweck. Zum anderen galten Bäume einst als Wesen, die dem Göttlichen nahestanden, insbesondere wenn sie groß und alt waren. Man ritzte Zeichen und Beschwörungssprüche in den Baum und erhoffte sich dadurch göttliche Unterstützung bei kultischen Handlungen. Aber auch bei ganz persönlichen Wünschen, wie zum Beispiel dem Liebeszauber, versprach man sich göttlichen Beistand. Das eingeritzte Liebespaar war sozusagen mithilfe des Baumes zauberisch verbunden.

In die Rinde der Buche sind einige Buchstaben eingeritzt.
Die glatte Rinde dr Buche macht das Einritzen von Buchstaben und Symbolen einfach.© Rudi Beiser

Die Buche – Einsatz als germanisches Orakel

Die Germanen nutzten die Zweige der Buche, um darin geheimnisvolle Zeichen einzuritzen. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus (58–120) beschreibt das Losorakel der germanischen Priester oder Priesterinnen zur Weissagung: „Sie ritzten Runenzeichen in frisch geschnittene Buchenstäbchen und warfen sie ungeordnet auf ein weißes Tuch. Dann nahmen sie drei der Stäbchen auf und lasen daraus die Zukunft. Die Reihenfolge der gezogenen Runenstäbe ergab den Orakelspruch.“

Das Lesen der Buchenstäbe

Das „Buchstabenlesen“ entwickelte sich also aus dem „Lesen der Buchenstäbe“. Das Runenalphabet kennt 24 Zeichen. Die Rune ist das Geheimnis, das einem die Götter zuraunen. Mit Runen wurde Heilzauber, Liebeszauber und Schutzzauber betrieben.

Essen aus dem Wald – die Buche als vielseitige Nahrungsquelle

Die Buche war einst ein bedeutender Speisebaum. Ihr botanischer Name Fagus sylvatica kommt aus dem Griechischen und bedeutet sinngemäß „Essen aus dem Wald“. Gegessen wurden sowohl Blätter als auch Früchte. Der Gelehrte Konrad von Megenberg (1309–1374) schrieb: „Des Baumes Blätter sind gar lind (= mild) und haben süßen Saft, und darum, wenn sie dann noch jung sind, so machen arme Leute Muß (= Gemüse) daraus und kochen es wie ein Kraut.“ Im Volksmund nannte man die Buchenblätter „Esslaub“.

Zarte junge Buchenblätter

Man muss allerdings nicht zu den „armen Leut“ gehören, um diese Delikatesse zu genießen. Die jungen, zarten Buchenblätter, die sich Ende April/Anfang Mai entfalten, schmecken angenehm säuerlich und erinnern ein wenig an Sauerampfer. Sie sind eine mineralienreiche Zutat für Salate. Aber auch pur aufs Butterbrot gelegt, sind sie ein Genuss. Buchenblätter zählen zu den leckersten Baumblättern überhaupt – Sie sollten sie unbedingt einmal probieren. Nehmen Sie jedoch nur die ganz jungen, zarten Blätter. Sie sind dann noch hellgrün und am Rand mit feinen Härchen bewimpert. Ältere Blätter werden dagegen sehr herb und zäh und sind dann ungenießbar.

Junge, grüne Buchenblätter wachsen an den Zweigen dieser Buche.
Die ganz jungen Buchenblätter sind essbar, später werden sie sehr herb.© Rudi Beiser

Die jungen Buchenblätter sind auch sehr gesund, denn sie enthalten viel Protein und sehr viele Mineralstoffe. Vor allem Kalium, Kalzium und Magnesium sind mit Spitzenwerten vertreten. Der Kalziumgehalt ist beispielsweise fast dreimal so hoch wie der von Spinat. Bezüglich des Vitamin-C-Gehaltes können es die jungen Blätter gut mit einer Zitrone aufnehmen, denn sie enthalten die fünffache Menge!

Aromatische Buchenkeimlinge

Eine Bereicherung des Speisezettels stellen auch die Buchenkeimlinge dar, die man im Frühjahr oft wie dicht gesät unter den alten Buchen findet. Sie sind gut erkennbar an den tellerartigen, ledrig verdickten Keimblättern. Lassen Sie sich von den zart-aromatischen Keimlingen überraschen, indem Sie sie unter Salate mischen oder wie Blattspinat zubereiten.

Nussige Bucheckern

Die ölhaltigen Früchte der Rotbuche, die sogenannten Bucheckern, sind ebenfalls zum Verzehr geeignet. Allerdings sollte man sie roh nur in Maßen genießen, da sie Fagin und viel Oxalsäure enthalten, was sie leicht giftig macht. Gerade empfindliche Personen sollten sie daher erst kochen oder rösten, um diese toxischen Stoffe abzubauen.

Rezept für Buchen-Likör

Zutaten

  • 120 g junge Buchenblätter
  • Schale einer Bio-Zitrone (nur der äußere, gelbe Teil)
  • 0,5 l Korn
  • 150 ml Wasser
  • 200 g Zucker

Zubereitung

  1. Buchenblätter und Zitronenschale in Streifen schneiden und den Korn darübergeben.
  2. 14 Tage ziehen lassen und gelegentlich umrühren.
  3. Aus Wasser und Zucker etwa fünf Minuten lang eine Zuckerlösung kochen.
  4. Die Buchenblätter abfiltern und den Auszug mit der abgekühlten Zuckerlösung mischen.
  5. In kleine Fläschchen abfüllen und vor dem Genuss zwei bis drei Wochen reifen lassen.

Mit Buchen gegen Blitz und Donner

Sehr verbreitet war der Glaube, Buchen würden vom Blitz nicht heimgesucht. Bei Gewitter solle man unter einer Buche Schutz suchen: „Eichen sollst du weichen, vor Fichten sollst du flüchten. Weiden sollst du meiden, doch Buchen musst du suchen.“ Oder: „Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen, kannst du Linden gerade nicht finden.“ Anscheinend werden Buchen im Gegensatz zu den tief wurzelnden Eichen viel seltener vom Blitz getroffen. Aber grundsätzlich sollte man bei Gewitter jeden Baum meiden. Weil man der Buche Schutz vor Gewitter zutraute, nagelte man Buchenzweige auf den Dachstuhl, um Blitze abzuwehren.

Eine alte, knorrige Buche steht auf einer Waldlichtung im Herbst.
Buchen, so glaubte man, sollten besonders standhaft gegen Blitze sein.© Rudi Beiser

Die Buche – als Heilpflanze kaum bekannt

Im Mittelalter verwendete man die Rotbuche in der Volksmedizin nur selten. Der Mediziner Tabernaemontanus (1522–1590) stellte fest: „So wird dieser Baum mehr zum Bauen und zum Brennen als zur Arznei gebraucht.“ Das ist überraschend, denn die Buche hat durchaus interessante, medizinisch wirksame Inhaltsstoffe.

Die enthaltenen Gerbstoffe haben eine zusammenziehende und antibakterielle Wirkung. Daher kann man sie beispielsweise sehr gut zum Gurgeln bei Entzündungen in Mund und Rachen einsetzen. Ergänzt wird die Heilwirkung durch die entzündungshemmenden Flavonoide und Phenolsäuren. Der gerbstoffhaltige Tee aus Buchenblättern hilft bei Durchfall oder man nimmt ihn für Umschläge bei entzündeter Haut und kleinen Verletzungen.

Wenn Sie die Buche heilkundlich nutzen wollen, sammeln Sie die Blätter erst im Sommer, von Juni bis August, nachdem sich die Gerbstoffe angereichert haben. Zu diesem Zeitpunkt sind die Blätter für die Wildkräuterküche nicht mehr nutzbar, aber sehr heilkräftig. Für einen Buchentee benötigen Sie zwei Teelöffel getrocknete Blätter auf 150 Milliliter Wasser.

 

Hinweis: Dieser Beitrag wurde mit größter Sorgfalt erstellt. Der Autor ist jedoch kein Arzt oder Apotheker. Die im Beitrag gegebenen Informationen sind nicht als Gesundheitsberatung zu verstehen. Besprechen Sie eine Anwendung der Tipps mit gesundheitlichem Bezug daher bitte mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt.

 

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