Mehrgenerationenhäuser bieten Begegnungen unter einem Dach

Eine Mutter sitzt mit ihrem Baby im Arm am Tisch in einem Mehrgenerationenhaus, eine ältere Frau begrüßt das kleine Kind.

Lernen, spielen oder einfach quatschen: All das ist in Mehrgenerationenhäusern möglich. Zugegeben, die Bezeichnung ist ein wenig irreführend. Denn es geht in diesen Begegnungsstätten nicht um generationsübergreifende Wohngemeinschaften, sondern um die Stärkung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft. Wohnprojekte, in denen Uroma, Opa, Eltern und Kinder unter einem Dach leben, existieren zwar auch. Diese werden korrekterweise aber als „Mehrgenerationenwohnen“ bezeichnet. Wer einen Blick in das Bundesprogramm „Miteinander – Füreinander“ wirft, stößt auf folgende Definition, die die Sachlage klärt: „Mehrgenerationenhäuser sind Begegnungsorte, an denen das Miteinander der Generationen aktiv gelebt wird. Sie bieten Raum für gemeinsame Aktivitäten und schaffen ein nachbarschaftliches Füreinander in der Kommune.“ Somit handelt es sich bei Mehrgenerationenprojekten wie diesen vielmehr um Gemeinschaften mit einem festen Ort, an dem sich alle Menschen einbringen können. Dennoch wird der Ausdruck Mehrgenerationenhaus im Alltag häufiger zur Bezeichnung des Mehrgenerationenwohnens verwendet.

Angebote in Mehrgenerationenhäusern

Doch wozu sind Mehrgenerationenhäuser denn gut, wenn niemand darin wohnt? Ganz einfach: Sie bieten Betreuung, Begegnung und Austausch – und das über Alter, Status und Herkunft hinweg und nahezu überall in Deutschland. Allein 530 Mehrgenerationenhäuser nehmen am Bundesprogramm teil. Sie zeichnen sich durch ihr soziales Engagement für die Menschen vor Ort aus und führen verschiedenste Angebote für Besucherinnen und Besucher durch.

Das heißt, jedes Mehrgenerationenhaus ist einzigartig. Während beispielsweise Besucherinnen und Besucher im Haus der Vielfalt in Wunstorf zum Eltern-Kind-Treff, zum Gedächtnistraining für Seniorinnen und Senioren, zum Spieleabend, zum englischen Konversationskurs oder zum Marktcafé gehen können, sieht es im Mehrgenerationenhaus in Mosbach schon anders aus. Dort können Besucherinnen und Besucher im lebendigen Klostergarten mithelfen. Sie können sich aber auch zum Bewerbungstraining anmelden. Oder sie suchen ihrem Kind eine Leihoma zum Vorlesen, wenn die eigene zu weit weg wohnt. Im Mehrgenerationenhaus Untergruppenbach können Besucherinnen und Besucher im Repair-Treff alten Dingen neues Leben einhauchen – und damit einen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Mehrgenerationenhäuser: ein Ort für die Gemeinschaft

Ein Kennzeichen und gleichzeitig eine positive Eigenschaft der Mehrgenerationenhäuser ist der enge Austausch der Menschen vor Ort. Diese können sich entweder im Haus engagieren oder vom Angebot profitieren. Das sorgt unter anderem dafür, dass Angebot und Nachfrage dem entsprechen, was die Menschen vor Ort wirklich brauchen und nutzen möchten.

Offene Treffen: das Herzstück des Mehrgenerationenhauses

Herz eines Mehrgenerationenhauses sind die sogenannten offenen Treffen. In einigen Häusern ist das eine Café-Stube, in anderen ein Seminarraum, ein Erzählsalon oder ein Spielzimmer. Im offenen Treffen kommen Jung und Alt zusammen – ob zugezogen oder alteingesessen. „Im Vordergrund steht immer das gemeinsame Treffen, miteinander ins Gespräch kommen, sich auszutauschen. Es gibt die unterschiedlichsten Gruppen und Aktivitäten. Und auf einen Kaffee oder Tee kommen viele gerne vorbei. Beliebt sind auch Vorträge und Ausstellungen“, erklärt Heike Schulze, Koordinatorin des Mehrgenerationenhauses Haus der Vielfalt in Wunstorf.

Eine Rentnerin sitzt ein einem Mehrgenerationenhaus mit zwei Kindern zusammen, die malen.
Gemeinsame Aktivitäten gehören zu Mehrgenerationenhäusern dazu.© CC0 / Kampus Production

Durch Mehrgenerationenhäuser zu neuen Kontakten für alleinstehende ältere Menschen

Damit leisten die Häuser wichtige generationenübergreifende Arbeit und ermöglichen soziale Teilhabe. Denn laut Statistischem Bundesamt lebten 2018 über 16 Millionen Menschen in Deutschland allein – jede dritte Person davon war über 65 Jahre alt. Im offenen Treffen der Mehrgenerationenhäuser können einsame Besucherinnen und Besucher neue Kontakte knüpfen und einfach mal wieder ausgelassen schnacken. Und während eines solchen Gesprächs entsteht so manche Idee, die sich später als Angebot im Mehrgenerationenhaus umsetzen lässt.

Mehrgenerationenhäuser: Welche Chancen bieten sich?

Auch für jüngere Menschen leistet die Gemeinschaft des Mehrgenerationenhauses einen wertvollen Beitrag. Beispielsweise können sich alleinerziehende Eltern mit anderen Einelternfamilien austauschen, sich gegenseitig unterstützen und sogar Betreuung in Anspruch nehmen. Beim großen Kochabend können Besucherinnen und Besucher, die noch nicht lange in Deutschland leben, die Gerichte ihrer Heimat gegen regionale tauschen.

Eine Alternative zur klassischen Kernfamilie

„Mehrgenerationenhäuser sorgen für einen starken Zusammenhalt von Jung und Alt und stehen für mehr Lebensqualität vor Ort“, erklärt Heike Schulze. Daher stellen die Projekte auch für die jeweiligen Kommunen eine Chance dar. Denn der ländliche Raum wird für viele Menschen durch schlechte Infrastruktur sowie die mangelnde Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischen Diensten zunehmend unattraktiv. Mehrgenerationenhäuser bieten die Perspektive eines neuen Miteinanders. Die vorherrschende Idee der Kernfamilie wird aufgebrochen. Gleichzeitig vermittelt das Projekt das Gefühl, direkt vor Ort etwas verändern zu können. „Mehrgenerationenhäuser sind offen, bieten die Möglichkeit, sich zu engagieren, seine Talente und Fähigkeiten auszuprobieren, voneinander zu lernen“, so Schulze.

Ein Mädchen sitzt auf dem Schoß einer Frau.
Im Mehrgenerationenhaus entstehen Beziehungen außerhalb der eigenen Familie.© Waschbär

Mehrgenerationenhäuser sind auch ein Vorteil in Sachen Umweltschutz

Auch in Sachen Umweltschutz stellen Mehrgenerationenhäuser spannende Konzepte dar, die nachhaltige Lebensweisen vermitteln können. Das zeigt zum Beispiel das Mehrgenerationenhaus Dorflinde in Langenfeld: Das Haus erfuhr im Rahmen des Wettbewerbs „Generationendialog in der Praxis – Bürger initiieren Nachhaltigkeit“ eine Ehrung der Bundesregierung. Neben konkreten nachhaltigen Handlungen geht es aber gleichzeitig um umweltpädagogische Aspekte. Wer sich beispielsweise mit einem Upcycling- oder Reparaturworkshop im Projekt engagiert, zeigt anderen, dass kaputte Dinge repariert werden können. Ein Neukauf ist somit nicht zwingend nötig – eines der Grundgesetze in Sachen Nachhaltigkeit.

Wie Sie ein Mehrgenerationenhaus gründen

In der Regel arbeiten Mehrgenerationenhäuser eng mit der jeweiligen Kommune zusammen. Denn auch diese hat ein Interesse an der Entstehung bedarfsgerechter Angebote. Schließlich ist es ihre Aufgabe, die Teilhabe und die digitale Bildung aller Generationen zu stärken. Passend zur Kommune wählen bei einer Gründung die Beteiligten aus verschiedenen Handlungsfeldern aus. Diejenigen des Bundesprogramms sind beispielsweise Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Vereinbarkeit von Familie und Pflege oder selbstbestimmtes Leben im Alter. Aber auch weitere Felder gehören dazu, wie etwa eine jugendgerechte Gesellschaft, Arbeitsmarktnähe und Beschäftigung, die Integration von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte, Partizipations- und Demokratieförderung, digitale Bildung, Kooperation zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft sowie ökologische Nachhaltigkeit.

Das Bundesprogramm Mehrgenerationenhäuser bietet eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit wichtigen Fragen und Anregungen für die Gründung eines solchen Projekts. Daher stellt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die erste Anlaufstelle dar, wenn Sie ein Mehrgenerationenhaus gründen möchten. Grundsätzlich können Sie ein Mehrgenerationenprojekt auch unabhängig von diesem speziellen Bundesprogramm initiieren. Egal für welchen Weg Sie sich bei einer Gründung entscheiden, die nachfolgenden Aspekte gilt es zu durchdenken.

Schritt 1: die Gemeinschaft befragen

Auf welches der Handlungsfelder sich das Mehrgenerationenhaus in Zukunft fokussieren wird, entscheiden Sie am besten in Absprache mit den Bürgerinnen und Bürger, denen das Projekt dienen soll. Daher sollte zu Beginn die Analyse stehen, um den Bedarf und die Wünsche der Menschen vor Ort kennenzulernen: Veranstalten Sie Infoabende, Umfragen und Workshops. Dabei gilt es, soziale Strukturen, bereits bestehende Projekte der Kommune sowie Angebotslücken zu berücksichtigen.

Schritt 2: gemeinsam konzipieren

Legen Sie ein Konzept fest. An dieser Stelle ist dann Vernetzungsarbeit gefragt. Sie müssen mit der Kommune, aber auch Akteurinnen und Akteuren anderer Initiativen sowie mit regionalen Unternehmen, Verbänden, Familienbildungsstätten und Sportvereinen zusammenarbeiten. Im gegenseitigen Austausch entsteht eine Synthese aus Wissensweitergabe und Konzeptideen. Die Präsentation des geplanten Mehrgenerationenprojekts bei Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern der Kommune ist ein wichtiger Schritt, um das Projekt von politischer Seite unterstützt zu wissen.

Schritt 3: Ort der Begegnungsstätte

Wo soll das Mehrgenerationenhaus stehen? Wie soll oder muss es ausgestattet sein? Diese Fragen gilt es im dritten Schritt zur Gründung zu klären. Der Standort des Hauses sollte im besten Fall zentral und zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sein. Achten Sie weiterhin auf die Barrierefreiheit des Gebäudes. So dürfen beispielsweise keine Treppen den Zugang erschweren und alle Türen müssen breit genug sein. Wenn möglich, sollte der sogenannte offene Treff in der Mitte des Gebäudes liegen. Denn er ist der zentrale Punkt für Zusammenhalt, Austausch und Engagement – und das darf sich auch in seiner architektonischen Lage widerspiegeln.

Der Eingang eines Mehrgenerationenhauses ist bunt und auffällig gestaltet.
Das Mehrgenerationenhaus sollte gut erreichbar und einladend gestaltet sein.© Heike Schulze

Schritt 4: Finanzierung klären

Ohne Moos nix los. Dieses Motto gilt auch für das Mehrgenerationenhaus. Denken Sie über Spendenaktionen sowie Fundraising nach. Kommunen, Länder, der Bund und sogar die EU bieten öffentliche Mittel, die Sie beantragen können. Zwar ist es nicht immer leicht, gute Anträge zu schreiben. Doch dank des zuvor aufgebauten Netzwerks können Sie auf kompetente Hilfe zurückgreifen. Stiftungen und regionale Unternehmen können ebenfalls finanzkräftige Zuwendungsgeber sein. Natürlich können Sie die späteren Angebote im Mehrgenerationenhaus gebührenpflichtig anbieten. Viele Projekte tun dies aber ungern, da eine Teilnahmegebühr sich kontraproduktiv zum Aspekt der Teilhabe und Offenheit verhält. Stattdessen bieten manche Häuser die Räume zur Vermietung an.

Schritt 5: Engagement fördern

Wenn Konzept, Haus und Finanzierung dann stehen, braucht das Mehrgenerationenhaus noch Freiwillige, die ihm Leben einhauchen. Zwar leisten laut Statista über 16 Millionen Menschen in Deutschland ehrenamtliche Arbeit. Doch jeder Verein und jede Initiative weiß, wie schwierig es ist, die Freiwilligen langfristig zu halten. Überzeugen Sie die Menschen vor Ort durch interessante und sinnvolle Aufgaben, sich zu engagieren. Auch Zertifikate oder Dankesfeiern können motivierend wirken. Unterstützen Sie außerdem Interessierte bei der Entwicklung und Umsetzung eigener Ideen für Angebote.

 

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