Materialkunde Schurwolle: Wie nachhaltig ist Schurwolle?

Vier Schafe stehen auf einer grünen Weide.

An die Materialien von Herbst- und Winterbekleidung stellen wir hohe Anforderungen. Sie sollen vor Kälte und rauem Wind schützen, Feuchtigkeit abweisen, möglichst strapazierfähig und am besten noch pflegeleicht sein. Schaut man sich bei der Wintermode um, fällt auf: Viele Mäntel und Jacken, Pullover, Mützen, Schals und Decken sind aus Schurwolle gefertigt. Was ist dran an diesem Material?

Worin unterscheiden sich Wolle und Schurwolle?

Eines vorweg: Wolle ist nicht gleich Wolle. Ob ein Produkt aus Wolle oder Schurwolle gefertigt ist, macht einen Unterschied in der Qualität. Schurwolle ist das Vlies vom frisch geschorenen Schaf. Und: Nur unbehandelte Wolle vom lebenden Tier darf laut Textilkennzeichnungsgesetz als Schurwolle deklariert werden.

Reine Schurwolle

Die Bezeichnung „Reine Schurwolle“ ist ein geschütztes Qualitätskennzeichen für Textilien und darf nicht nach Belieben verwendet werden.

  • „Reine Schurwolle“ ist frei von chemischen Substanzen.
  • Sie enthält keine synthetischen Bestandteile und ist nicht gefärbt.
  • Lambswool hat die höchste Qualitätsstufe. Sie stammt aus der ersten Schur der Lämmer und ist besonders fein und weich.

Wolle

  • Die Bezeichnung „Wolle“ darf laut Textilkennzeichnungsgesetz für Fasern vom Fell des Schafes und auch für Mischungen von Wolle mit feinen Tierhaaren verwendet werden, wie zum Beispiel Alpaka oder Lama.
  • Als Wolle dürfen auch Fasern vom toten Tier bezeichnet werden.
  • Reißwolle und Reste von Alttextilien fallen ebenfalls unter den Oberbegriff „Wolle“.

Der Hinweis „Reine Wolle“ kann insofern irreführend sein. Schauen Sie sich das Etikett mit den Materialangaben am besten immer genau an.

Von welchen Tieren stammt Schurwolle?

Schafe gehören neben den Ziegen zu den ältesten Nutztieren der Menschheit. Die Schafzucht diente zunächst nur der Fleischproduktion. Erst später erkannte man den Wert des Haarkleides für die Wollnutzung. Sie soll auf über 5.000 Jahre zurückgehen. Während man anfänglich noch die Haare zupfte oder einsammelte, griff man später zur Schere. Heute kommt der Scherer mit der elektrischen Schermaschine auf den Hof. Das Haarkleid der Schafe war ursprünglich grob und zottelig. Erst durch jahrhundertealte Züchtung konnten sich Schafe mit feinen, gut zu verarbeitenden Wollhaaren entwickeln.

Welche Schafrasse liefert die beste Schurwolle-Qualität?

Je nach Schafrasse, von denen es laut Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL) weltweit 500 bis 600 gibt (in Deutschland sollen es rund 40 sein), unterscheidet sich Schurwolle im Hinblick auf die Farbe und die Faserbeschaffenheit. Das Merinoschaf liefert die beste Qualität. Seine Wolle ist sehr fein, kurzfaserig, stark gekräuselt und besonders weich. Die feinste Merinoqualität liefern Schafe aus Australien, Neuseeland, Südamerika und Südafrika.

Welche Länder sind die wichtigsten Wollproduzenten?

Wolle ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: In fast 100 Ländern werden weltweit jährlich 2,2 Millionen Tonnen Wolle produziert. Rund 8.000 Tonnen sind es in Deutschland. Mit „nur“ zwei Millionen Schafen gilt Deutschland am Weltmarkt als nicht wettbewerbsfähig. Der Großteil der Wolle für Textilien bei uns stammt aus anderen Ländern. Weil die klimatischen Bedingungen für die Tiere beziehungsweise deren Wollqualität dort besser sind, konnten sich Australien und Neuseeland zu den weltweit größten Wollproduzenten entwickeln. Zusammen mit China stellen sie 50 Prozent der weltweiten Schafwollproduktion. Weitere wichtige Produktionsländer sind Südafrika, Indien, Argentinien, Uruguay, Sudan, Iran und Großbritannien.

Wo wird in Deutschland Schurwolle hergestellt?

Schurwolle wird in Deutschland von verschiedenen Schafrassen gewonnen. Auch die Produktion von Merinowolle erfolgt hierzulande. Mit einem Anteil von fast 30 Prozent ist das Merinolandschaf die in Deutschland am häufigsten gezüchtete Schafrasse – vor allem in Bayern und Baden-Württemberg. In Bayern sollen es sogar 70 Prozent sein. Seine Fasern sind zwar nicht so fein wie die der Merinoschafe in den heißeren und trockeneren Gebieten der Hauptproduktionsländer. Dafür sind sie umso robuster und strapazierfähiger. Regionale Schafrassen zur Gewinnung von Schurwolle in Deutschland sind unter anderem das Rhönschaf, die Heidschnucke, das Albschaf und das Coburger Fuchsschaf.

Welche positiven Materialeigenschaften hat Schurwolle?

Tierische Fasern wie die der Schurwolle bestehen aus Eiweißfasern, die der menschlichen Haut sehr ähnlich sind. Sie sind weich, thermoregulierend, isolierend, schwer entflammbar sowie schmutz- und wasserabweisend. Weil die gekräuselten Fasern Luftpolster bilden, hat Schurwolle ein ausgezeichnetes Wärmerückhaltevermögen. Diese Eigenschaft wird gern für Jacken, Mäntel und dicke Pullover genutzt. Funktionswäsche ist meist aus der besonders flauschigen, atmungsaktiven Merinowolle hergestellt.

Der natürlich nachwachsende Rohstoff Wolle ist vielfältig einsetzbar, langlebig und umweltfreundlich. Wolle hat einen hohen Gehalt an dem natürlichen Wollfett Lanolin, dem man hautpflegende und entzündungshemmende Eigenschaften zuschreibt. Wollkleidung in Bio-Qualität und Wollwalk-Mode finden Sie in unserem Onlineshop.

Eine Frau trägt einen roten Mantel aus Schurwole und geht an einem See spazieren.
Kleidungsstücke aus Schurwolle halten auch bei kaltem und nassem Wetter warm.© Waschbär

Wie nachhaltig und tierfreundlich ist Schurwolle?

Das kommt darauf an, woher die Schurwolle stammt, wie sie verarbeitet und wie sie weiterbehandelt wird. Die hochwertigste und nachhaltigste Qualität liefert 100 Prozent reine Bio-Schurwolle von Schafen in heimischen Regionen aus kontrolliert biologischer Tierhaltung (k. b. T.). Das k. b. T.-Siegel besagt, dass die Haltung der Tiere gemäß den Richtlinien des ökologischen Landbaus erfolgt. Diese schreiben unter anderem eine artgerechte Freilauf- und Weidehaltung vor. Gentechnisch manipulierte Futtermittel und Pestizide kommen nicht zum Einsatz, die Verwendung von Arzneimitteln ist stark eingeschränkt. Mulesing ist – wie in ganz Deutschland – nicht erlaubt.

Was ist „Mulesing“?

Dieses Verfahren ist hoch umstritten und gilt in Australien als noch immer weitverbreitet. Laut Angaben des Deutschen Tierschutzbundes e. V. sind nur zehn Prozent der australischen Merinowolle mulesingfrei. Um möglichst viel Merinowolle zu gewinnen, werden Schafe mit besonders vielen Hautfalten gezüchtet. Zwischen diesen nisten sich jedoch gern Maden ein und fressen sich in das Gewebe der Tiere ein. Um das zu verhindern, werden den Schafen rund um die für Parasiten anfällige Region des Afters Hautfalten herausgeschnitten. Meist geschieht das ohne Betäubung oder Schmerzmittel. Das wunde Gewebe vernarbt, es wird glatt und faltenfrei. Auf ihm wächst keine Wolle mehr. Gegen diese Tierleid verursachende Prozedur gehen mittlerweile weltweit zahlreiche Initiativen vor. Achten Sie daher beim Kauf von Merinowolle auf den Hinweis „mulesingfrei“.

Eine kleine Gruppe Merinoschafe steht auf einer Weide.
Merinowolle ist dank seiner feinen Struktur besonders gefragt.© CC0 / Ariana Prestes

Hinweis: Auch Waschbär setzt sich für das Tierwohl ein und verwendet daher ausschließlich mulesingfreie Wolle. Zudem verwenden wir für unsere Produkte zum Großteil Bio-Wolle.

Wie wird aus der Schurwolle eine Textilie?

Meist im Frühjahr kommt der Scherer, um die Schafe von ihrem Wollkleid zu befreien. Nach der kalten Jahreszeit sind die Fasern länger und stärker und somit besonders hochwertig. Bei der Schur kommt es darauf an, das Vlies möglichst in einem Stück abzuscheren. Die Wolle ist je nach Körperpartie von unterschiedlicher Qualität. Deshalb zerteilt man das Vlies so, dass sich die Wolle nach Länge, Kräuselung, Qualität und Farbe sortieren lässt.

Anschließend wird das Haarkleid gewaschen, kardiert oder gekämmt sowie nach Bedarf gebleicht oder gefärbt. In der Spinnerei werden die Fasern zu einem Garn versponnen. Und aus diesem entsteht letztlich das gewünschte Produkt.

Woran sind Produkte aus Schurwolle zu erkennen?

Achten Sie auf das Etikett mit den Materialangaben. Textilhersteller sind verpflichtet, die Zusammensetzung aller für das Produkt verwendeten Textilfasern sowie den Anteil aller nicht textilen Teile tierischen Ursprungs anzugeben. Der Materialhinweis „reine Schurwolle“ ist ein Indiz, dass das Produkt zu 100 Prozent aus reinen, unbehandelten Fasern vom lebenden Schaf hergestellt ist.

Mit ihrem „Wollsiegel“ beziehungsweise Woolmark-Siegel will die Woolmark Company weltweit einen einheitlichen Standard für Qualitätsprodukte aus reiner Merinowolle etablieren. Über den Nachhaltigkeitsgrad der Wolle sagt das von australischen Wollerzeugern initiierte Siegel allerdings wenig aus.

Tierleidfreie Wolle ist am k. b. T.-Siegel zu erkennen. Relativ neu ist der Responsible Wool Standard (RWS).

Wie sollte man Schurwolle pflegen?

Wolle ist Schmutz abweisend, nimmt kaum Gerüche auf und ist fast knitterfrei. Leichter Schmutz lässt sich einfach ausbürsten. Ein Fleck lässt sich am besten gleich nach dem Entstehen mit etwas Essigwasser oder, sollte er hartnäckig sein, mit Kernseife entfernen. Gegebenenfalls können Sie Ihre Textilie auch – am besten per Hand – in lauwarmem Wasser mit einem Wollwaschmittel waschen. Die Wassertemperatur beim Ausspülen sollte aber dieselbe wie die beim Waschvorgang sein (auf keinen Fall heißes oder kaltes Wasser verwenden, weder auswringen noch nass auf einen Bügel hängen!). Das Wasser leicht auspressen, die Textilie vorsichtig in Form ziehen und liegend auf einem Wäscheständer trocknen lassen. Hat sich doch einmal ein Geruch verfangen, reicht es meist aus, das gute Stück auf einem Bügel an die frische Luft zu hängen. Und unbedingt gut einlagern – auch Motten lieben Wolle.

 

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