Pflanzenporträt: Die Schlehe – wertvolle Wildfrucht für Gourmets

Schlehen erinnern an runde Zwetschgen.

Die Schlehe (Prunus spinosa) besiedelt Waldränder und Hecken. Vermutlich hat jeder den Busch schon einmal wahrgenommen, denn er kündigt mit seiner weißen Blütenpracht den Frühling an und zeigt uns mit seinen blauschwarzen, hell bereiften Früchten, dass die kalte Jahreszeit naht. Jetzt wird es Zeit die wilden Früchte zu ernten, die ein wenig wie kleine Pflaumen aussehen. Kein Wunder, denn die Schlehe ist ein Urahne der Kultur-Pflaume.

Ökologisch wertvoll: Als Nahrungsquelle und Nistplatz

Der dornige Strauch schenkt uns ab Oktober kleine kugelige Früchte, die auch bei den Vögeln sehr beliebt sind. Der Strauch bietet den Vögeln nicht nur Nahrung, sondern auch sichere Nistmöglichkeiten, denn durch die Dornen sind sie gut geschützt vor Nesträubern. Überhaupt ist die Schlehe ist ein wunderbares Naturschutzgehölz, ihre Blütenpracht spendet schon ab März reichlich Nektar für Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge. 137 Insektenarten wurden als Blütenbesucher oder Blattfresser registriert.

Gourmets brauchen etwas Geduld oder das Problem mit den Gerbstoffen

Die Schlehe, die manchmal auch Schlehdorn oder Schwarzdorn genannt wird, wurde schon von unseren Vorfahren als Nahrungsmittel geschätzt, was zahlreiche Funde von Schlehenkernen an jungsteinzeitlichen Siedlungsplätzen bestätigen. Wer nun beim Spaziergang in eine der lecker aussehenden Früchtchen beißt, wird zunächst enttäuscht sein: Die Schlehen sind so herb und sauer, dass sie roh kaum genießbar sind. Sie sind so adstringierend, dass sie die Zähne „stumpf“ werden lassen und die Mundschleimhäute zusammenziehen. Eigentlich enthält die Frucht genauso viel Zucker wie ein Apfel, allerdings können wir diese Süße nicht wahrnehmen, weil die vielen Gerbstoffe unsere Geschmackszellen komplett lahmlegen. Diese Gerbstoffe (Tannine) bauen sich jedoch langsam ab, wenn man die Schlehen nach der Ernte noch einige Zeit (1-2 Wochen) kühl und frostfrei lagert.

Die Beere leuchtet appetitlich dunkelblau.
WEnn der Mensch nicht schnell genug erntet, übernimmt das der Vogel gerne.© Rudi Beiser

Wenn die Vögel nicht wären, könnte man die Früchte bis zur endgültigen Reife im November hängen lassen. Um aber auch noch etwas abzubekommen, ist es sinnvoll schon Anfang Oktober zu ernten und dann im Haus nachreifen zu lassen. So werden sie immer milder und süßer. Diese Methode des Nachreifens ist wesentlich erfolgreicher, wie das oft empfohlene Durchfrieren in der Kühltruhe, denn die Tannine werden durch Frost nicht abgebaut. Das Durchfrieren hat allerdings den Vorteil, dass die Früchte sich besser verarbeiten lassen, da der Fruchtsaft nun leicht aus den zerstörten Zellen austritt.

Tipps zur Verarbeitung der Schlehen-Früchte

Schön ausgereift eignen sich die Früchte sehr gut für die Verarbeitung zu Saft, Likör, Gelee oder Fruchtaufstrich. Dabei ist folgendes zu beachten: Das grünliche Fruchtfleisch löst sich nicht vom Kern. Deshalb ist es sinnvoll bei der Saft- oder Marmeladeherstellung die Früchte mit dem Kern zu erhitzen und für die anschließende Weiterverarbeitung durch ein Sieb zu passieren. Erhitzen Sie die Schlehen dabei in Apfel- oder Birnensaft, denn Schlehen sind nicht sehr saftreich. Es genügt, wenn die Schlehenfrüchte im Topf gerade mit Saft bedeckt sind. Außerdem macht die Kombination mit mildsüßem Obst das Endprodukt geschmacklich sehr harmonisch. Auch Pflaumen und Zwetschen eignen zum Untermischen. Der Kern der Früchte ist übrigens blausäurehaltig und sollte deshalb nicht aufgeschlagen werden. Bei der Likörherstellung werden jedoch einige wenige aufgeschlagene Kerne hinzugefügt, da das Bittermandelaroma explizit erwünscht ist. 

Die noch festen Früchte, möglichst im September geerntet, lassen sich zu einer besonderen Spezialität weiterverarbeiten: Schlehen-Oliven.

Rezept für Schlehen-Oliven

Stellen Sie eine Salzlösung her, indem Sie einen Liter Wasser mit 300 g Salz, 3 Lorbeerblättern sowie einigen Thymian- und Rosmarinzweigen aufkochen. Rühren Sie, bis sich das Salz aufgelöst hat. Etwa 15 Minuten abkühlen lassen und dann Gewürze entfernen. Inzwischen füllen Sie die Schlehen dicht in Schraubgläser. Nun das Glas bis oben mit der warmen Salzlösung füllen. Das Ganze vier Wochen durchziehen lassen und gelegentlich schütteln. Jetzt werden die Schlehen abgegossen und eine halbe Stunde in reichlich Wasser gewässert. Als nächstes abtropfen und etwas trocknen lassen. Nun mit Knoblauch, Chili, Zitronenschale und mediterranen Kräutern in Gläser schichten. Gutes Olivenöl darüber gießen, sodass alles bedeckt ist. Vor Verzehr eine Woche durchziehen lassen und dann innerhalb eines Monats verbrauchen.

Die Früchte im Glas sehen wirklich aus wie eingelegte schwarze Oliven.
Außergewöhnlich und ein tolles Geschenk für Freunde und Familie: Schlehen-Oliven.© Rudi Beiser

Rezept für Schlehen-Likör

Zutaten

  • 400 g Schlehen (frisch oder gefroren)
  • 1 Liter Zwetschgen-, Pflaumen- oder Zibärtle-Schnaps
  • 2 Vanillestangen
  • 200 g Zucker
  • 300 ml Wasser

Zubereitung

  1. Schlehen und aufgeschnittene Vanille in ein großes Schraubglas geben und mit Alkohol übergießen.
  2. Einige Schlehenkerne mit dem Hammer aufschlagen, zugeben. Das Glas verschließen und 3-4 Wochen ziehen lassen.
  3. Zuckerlösung herstellen: Wasser und Zucker 15 Minuten köcheln lassen.
  4. Nach dem Abfiltern durch ein feines Sieb mit der etwas abgekühlten Zuckerlösung mischen.
  5. Nochmals mindestens vier Wochen lagern (je länger desto besser), denn erst dann stellt sich ein runder Geschmack ein.

Variante: Die Zuckerlösung kann auch mit Rotwein hergestellt werden, dann aber nur kurz erhitzen.

Tipp: Gefrostete Schlehen sind von Vorteil, da der Alkohol die geplatzten Zellen besser durchdringen kann.   

Das steckt in der Schlehe drin

Da alle Wildkräuter und Wildfrüchte mehr Vitamine enthalten als gezüchtetes Gemüse und Kulturobst, kann auch die Schlehe gegenüber den Pflaumen oder Zwetschgen punkten: Sie enthält beispielsweise 1,5-mal so viel Vitamin C, 2,5-mal so viel Calcium, 3,5-mal so viel Magnesium und 6-mal so viel Eisen.

Aufgrund des hohen Gerbstoffgehaltes bekamen die Schlehenfrüchte bei Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhäute den Segen der modernen Phytotherapie. In der Volksmedizin nutzt man die getrockneten Schlehen seit Jahrhunderten auch bei Durchfall. Die im Frühling gesammelten Blüten galten als mildes Abführmittel und als Bestandteil von „Entschlackungs- und Blutreinigungstees“. Auch die Blüten enthalten wie der Kern das Blausäureglycosid Amygdalin, jedoch in sehr geringen Mengen.

Schlehen als magische Medizin des Mittelalters

Nahaufnahme mehrerer Schlehen-Dornen.
Schlehen-Dornen sehen auf den ersten Blick aus, wie kleine Äste, sind aber spitz und können schmerzhaft piksen.© Rudi Beiser

Die magische Zahl Drei spielt bei einem Heilzauber mit der Schlehenblüte eine wichtige Rolle. Die ersten drei Schlehenblüten, die man im Frühling entdeckte, sollte man essen, um für das ganze Jahr gegen Fieber geschützt zu sein. Dazu sprach man: „Jetzt ess ich die ersten drei Schlehenblüten, dass ich das Fieber nicht krieg.“ Dabei durfte man die Blüten nicht mit der Hand anfassen, sondern musste sie mit dem Mund abbeißen. Für Nachahmer: Vorsichtig sein, damit kein Dorn in der Nase steckt! Den Brauch drei Frühlingsblüten zu verspeisen, finden wir übrigens auch bei anderen Pflanzen, die einst der Frühlingsgöttin geweiht waren: Anemone, Gänseblümchen, Schlüsselblume und Veilchen.

Es gab noch einen weiteren Schlehen-Zauber: Gegen Warzen spießte man eine Nacktschnecke an einen Schlehdorn und sprach folgende Beschwörung; „Schneck, i tu di nit ins Grab, Büss di Lebe am Dorn do ab, Wenn di Lebe isch entflohn, sin mini Warze au davon.“ Dieser makabre Warzenzauber erinnert sehr an den Neuntöter – eine Vogelart Mitteleuropas, der seine Beute für den späteren Verzehr auf die langen Dornen der Schlehe spießt.

 

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