Eine nachhaltige Low-Carb-Diät – Wie funktioniert das?
Low Carb ist inzwischen mehr als nur ein weiterer Trend in der Ernährungswelt. Viele schwören auf die kurz- oder sogar langfristige Reduktion von Kohlenhydraten – zum Abnehmen oder aus gesundheitlichen Gründen. Aber was genau verbirgt sich hinter dieser Diätform eigentlich und gibt es auch eine nachhaltige Low-Carb-Diät?
Inhalt
Die Low-Carb-Diät – Was steckt dahinter?
Zunächst eines vorweg: Die eine, klassische Low-Carb-Diät gibt es nicht. Vielmehr existieren verschiedene Typen von Diäten, die auf eine Reduktion von Kohlenhydraten („Carbs“) setzen. Zu den bekanntesten zählen die Atkins- und Paleo-Diät sowie die ketogene Ernährungsweise. Neu hinzugekommen ist die sog. „Fleischdiät“ („Carnivore- Diät“). Hier wird – wie der Name schon sagt – ausschließlich Fleisch verspeist. Gemein ist allen Low-Carb-Ernährungsformen, dass der Fokus auf der Reduktion von Kohlenhydraten und nicht auf der von Kalorien liegt.
Aber was passiert im Körper eigentlich bei einer Low-Carb-Diät? Einfach erklärt: Fehlen dem Körper die Kohlenhydrate, stellt dieser nach ein paar Tagen seinen Stoffwechsel um. Da die Energie nun nicht mehr aus Kohlenhydraten gewonnen werden kann, geht es an die Fettreserven. Diesen Zustand nennt man Ketose.
Bei der ketogenen Ernährungsform, der extremsten Art von Low Carb, soll die Ketose zum Normalzustand für den Körper werden. Die Zufuhr von Kohlenhydraten geht daher gegen Null. Früher wurde eine ketogene Ernährung meist von Ärzten verordnet, um Krankheiten wie Epilepsie oder Diabetes zu behandeln. In den letzten Jahren hat sich „Keto“ allerdings als eine Trend-Diät etabliert, deren Anhänger zum Beispiel ihr Gewicht kontrollieren möchten.
Low Carb statt No Carb
Bei den anderen Typen der Low-Carb-Diät variiert die erlaubte Kohlenhydrat-Menge. Generell lässt sich aber sagen, dass bei der täglichen Nahrungsaufnahme der Anteil der Kohlenhydrate an der Gesamtkalorienmenge 20 % nicht überschreiten sollte. Geht man von einem täglichen Verbrauch von 2000 Kalorien aus, entspricht dies einer Menge von max. 100 g Kohlenhydraten. Die restlichen 80 % der benötigten Kalorien werden durch Proteine und Fette abgedeckt. Zur Einordnung: Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) empfiehlt einen Kohlenhydrat-Anteil von min. 50 %.
Die Low-Carb-Diät wird oft mit der sogenannten High-Protein-Diät (Eiweiß-Diät) verwechselt. High Protein setzt ebenfalls auf eine Reduktion von Kohlenhydraten – aber auch auf die von Fetten. Lebensmittel wie fettes Fleisch und fettiger Käse sind tabu. Bei der Low-Carb-Diät sind diese aber herzlich willkommen.
Was steht auf dem Speiseplan (und was nicht)?
Um den Kohlenhydrat-Anteil möglichst gering zu halten, werden viele Lebensmittel aus der Ernährung ausgeschlossen. Brot, Kartoffeln, Nudeln und Reis findet man bspw. auf keinem Low-Carb-Speiseplan – und Süßigkeiten natürlich auch nicht. Aber auch gesunde Obstsorten mit viel Fruchtzucker (z.B. Bananen, Datteln, Ananas) sollten vermieden werden. Ganz weit oben auf der Speisekarte stehen hingegen Fleisch, Fisch, Milchprodukte wie Käse und kohlenhydratarmes Gemüse, wie z.B. Blattsalate, Zucchini und Avocado. Doch in den meisten erlaubten Gemüsesorten – mit Ausnahme von Avocado – steckt wenig Energie. Den Speiseplan sollte man daher unbedingt durch Pilze (liefern viele Proteine) und Nüsse (gesunde Fette) ergänzen.
Gibt es eine nachhaltige Low-Carb-Diät?
Der Blick in die Menükarte verrät es schon: Bei der Low-Carb-Diät sind tierische Produkte ein wichtiger Baustein zur Energiegewinnung. Und diese sind alles andere als nachhaltig. Gründe hierfür gibt es viele: angefangen beim enormen Wasserverbrauch (ca. 15.000 l pro kg/Rindfleisch), der Abholzung des Regenwaldes für den Futteranbau, bis hin zu nitratbelastetem Grundwasser und Überfischung. Klar, die nachhaltigste Form der Ernährung – egal, ob Low Carb oder nicht – ist eine pflanzliche, saisonale und am besten regionale. Das ist herausfordernd und je nach Saison kaum umzusetzen. Deutlich erschwert wird dies durch die Kohlenhydratreduktion, denn vollwertige pflanzliche Lebensmittel bestehen – anders als tierische – immer zu einem Teil aus Kohlenhydraten. Daher stellt sich die Frage, ob eine vegane (oder zumindest vegetarische), sprich nachhaltige Low-Carb-Diät überhaupt möglich ist.
Eignet sich Low-Carb für Vegetarier und Veganer?
Während Disziplin für „Allesesser“ bei der Low-Carb-Diät die größte Schwierigkeit ist, kommt bei Veganern eine weitere hinzu: Sie müssen die eingesparten Kohlenhydrate durch nicht-tierische Proteine und Fette ersetzen. Und zwar so, dass sie ausreichend Kalorien (und natürlich auch Nährstoffe) zuführen, um ihren Energiehaushalt am Laufen zu halten. Für Vegetarier ist die Umsetzung unproblematischer: Sie können auf kalorienreiche Milch- und Eierprodukte zurückgreifen.
Kalorienzählen hilft bei der veganen Low-Carb-Diät
Wie aber kann man eine vegane Ernährungsweise und Low Carb in Einklang bringen? Hier hilft eine einfache Rechnung: Basis ist ein täglicher Grundumsatz von 2000 Kalorien. Dieser soll zu maximal 20 Prozent durch Kohlenhydrate abgedeckt werden sollen. Somit bleiben 1600 „kohlenhydratfreie“ Kalorien übrig. Ein veganer Low-Carb-Anhänger muss nun versuchen, nicht-tierische Nahrungsmittel wie Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und zuckerarmes Obst in einer Weise zu sich zu nehmen, bei der dieses Kalorienverhältnis gewahrt bleibt. Dabei gibt es zwei Herausforderungen: Erstens bestehen alle diese Lebensmittel aus verschiedenen Kombinationen von Fetten, Kohlenhydraten und Proteinen, die man gegeneinander aufgerechnen muss. Zweitens ist für Vitamine, Ballaststoffe, ungesättigte Fettsäuren und Co. zwar gesorgt, den meisten Nahrungsmitteln mangelt es jedoch – mit Ausnahme von Nüssen und Hülsenfrüchten – an Kalorien.
Wer bspw. ein Rindersteak durch Tofu ersetzen möchte, muss hiervon mehr als die doppelte Menge essen, um auf dieselbe Kalorienzahl zu kommen. Hier ist das reichhaltigere Tempeh (fermentierte Sojabohnen) die bessere Wahl. In beiden Fällen gilt aber: auf regionalen Anbau achten!
Low-Carb und vegan, aber dafür mit getrübter Öko-Bilanz: die Avocado
Als DAS Low-Carb-Lebensmittel schlechthin wird die Avocado angepriesen. Sie eignet sich tatsächlich ausgezeichnet für eine vegane Version von Low-Carb, da sie kaum Kohlenhydrate, dafür aber viel Energie in Form von gesunden ungesättigten Fettsäuren und Vitamine liefert. Der Haken bei der Sache: Die Ökobilanz der Avocado ist katastrophal. Daher sollte die Frucht nicht täglich auf den Teller kommen.
Andere gesunde Lebensmittel mit weitaus besserer Ökobilanz, wie Blaubeeren, Süßkartoffeln oder Linsen dürfen hingegen nur in kleinen Mengen auf den Speiseplan, weil sie zu kohlenhydrathaltig sind. Daher der Tipp: Wer eine vegane Low-Carb-Diät in Angriff nehmen möchte, der sollte vor dem Startschuss unbedingt Zeit in die Essensplanung investieren. Es kann sinnvoll sein, sich vorab ein Portfolio an gesunden Low-Carb-Lebensmitteln zusammenzustellen und diese nach Nährstoffen, Kalorien und Kohlenhydraten zu gruppieren. Durch das Kombinieren dieser Lebensmittel entstehen dann immer wieder andere und ausgewogene Low-Carb-Rezepte, die eine gesunde Ernährung sicherstellen.
Wie kann eine nachhaltige Low-Carb-Diät aussehen?
Wer als Allesesser eine nicht-vegane, aber trotzdem nachhaltige Low-Carb-Diät durchführen möchte, sollte Fleisch und Milch meiden und stattdessen etwas mehr auf Fisch und Eier setzen – aber in Maßen. Also einfach die Chicken Nuggets durch Fischstäbchen und die Würstchen durch Rührei ersetzen? Ganz so leicht ist die nachhaltige Low-Carb-Diät natürlich nicht.
Was es beim Fisch zu beachten gilt: Wer Meerestiere kauft, sollte drei Kriterien checken, bevor sie im Einkaufkorb landen: Was ist das für ein Fisch? Wo wurde er gefangen? Wie wurde er gefangen? Diese Angaben müssen auf der Verpackung zu finden sein. Hilfreich bei der Kaufentscheidung sind Qualitätssiegel, die für verschiedene Standards haften. Am bekanntesten sind das MSC-Siegel für Wildfisch sowie das ASC-Siegel für Zuchtfisch. Hinzu kommen eine Reihe verschiedener Bio-Siegel. Allerdings stehen diese Siegel auch oft in der Kritik, was die Einhaltung der festgelegten Standards betrifft. Es gilt aber: Wenn schon Fisch, dann mit Siegel! Wer sich unsicher ist, welchen Fisch er guten Gewissens kaufen kann, der findet Unterstützung auf den Info-Seiten von WWF und Greenpeace.
Nachhaltige Low-Carb-Diät – mit oder ohne Ei?
Auch Eier dürfen auf den nachhaltigen Low-Carb-Speiseplan – aber in Maßen und nur unter bestimmten Voraussetzungen. Denn eine industrielle und gleichzeitig nachhaltige Eierproduktion schließen sich quasi aus. Die Eier sollten daher so regional und „bio“ wie möglich sein – am besten vom Biobauern um die Ecke. Wenn dieser dann noch sein selbst angebautes Bio-Futter verwendet – umso besser! Wem allerdings nicht das Glück vergönnt ist, einen solchen Vorzeigebauern als Nachbarn zählen zu dürfen, der sollte vor dem Eierkauf im Internet recherchieren. Denn auch wenn Eier als „Bio“ (mit der Kennziffer „0“) deklariert sind, kann dieses Bio-Futter aus dem Ausland stammen und weite Transportwege zurückgelegt haben. Auch Biosiegel können Orientierung geben: Hier sollte man allerdings den Siegeln der Bio-Anbauverbände (z.B. Demeter, Naturland) aufgrund der höheren Standards den Vortritt vor dem EU-Siegel und dem deutschen Bio-Siegel lassen.
Nachhaltige Low-Carb-Diät für Sportler: Leistungssteigerung durch Kohlenhydratverzicht?
Die Vermutung liegt nahe, dass durch den erhöhten Fettstoffwechsel die Leistungsfähigkeit vor allem im Ausdauersport verbessert werden kann. Fakt ist jedoch, dass bisherige Studien keine Vorteile einer Low-Carb-Diät gegenüber einer konventionellen Ernährung nachweisen konnten. Nichtsdestotrotz schwören viele Trainer und auch (Leistungs)Sportler auf dieses Ernährungskonzept. Außer Acht gelassen werden dabei die potenziellen Risiken: Viele Athleten, die sich über einen längeren Zeitraum „low carb“ ernähren, leiden u.a. unter Müdigkeit, einer schlechteren Regenerationsfähigkeit und einem erhöhten Verletzungsrisiko. Warum da so ist? Stehen dem Körper nicht genügend Kohlenhydrate zur Verfügung, kann dies bei starker körperlicher Belastung zum Abbau von Proteinreserven und somit zum Muskelabbau und einem geschwächtem Immunsystem führen.[1]
Für wen eignet sich Low-Carb?
Wer seinen Hüftspeck loswerden will, kann mit einer strikten Low-Carb-Diät schnelle Erfolge verbuchen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der anfängliche Gewichtsverlust wohl vor allem durch das Ausscheiden von Wasser zustande kommt[2] – ein Effekt, der motivierend wirken kann, nach ein paar Tagen aber nachlässt. Was oft außer Acht gelassen wird, sind die gesundheitlichen Gefahren, die eine kohlenhydratarme Ernährung birgt: So weist eine neue Meta-Studie darauf hin, dass sowohl eine stark kohlenhydratreduzierte wie auch sehr kohlenhydratreiche Ernährung mit einem höheren Sterblichkeitsrisiko einhergehen. In beiden Fällen ist bspw. die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. Herzinfarkt) höher als bei einer mittleren Kohlenhydratzufuhr (ca. 50 % des tgl. Energiebedarfs), wie sie auch die DGE empfiehlt. Verschärft wird das Risiko durch eine höhere Zufuhr an tierischen Proteinen (gesättigte Fettsäuren) – wie bei der konventionellen Low-Carb-Diät üblich.[3]
Wer also kurzfristig ein paar Fellpölsterchen loswerden will und sich ansonsten guter Gesundheit erfreut, kann mit Low Carb die Strandfigur in Angriff nehmen. Dabei sollte auf einen maßvollen Verzehr von tierischen Produkten geachtet werden – für die Umwelt und die eigene Gesundheit. Adipöse Menschen, die tendenziell bereits ein stark erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, sollten jedoch besser die Finger von Low Carb lassen.
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Hinweis: Dieser Beitrag wurde mit größter Sorgfalt erstellt. Die Autorin ist jedoch keine Ernährungswissenschaftlerin. Die im Beitrag gegebenen Informationen sind nicht als Ernährungsberatung zu verstehen. Besprechen Sie daher eine Ernährungsumstellung mit Ihrem Hausarzt.
Quellen:
[1]https://www.germanjournalsportsmedicine.com/archive/archive-2016/issue-4/low-carb-ernaehrung-im-sport-eine-kurze-uebersicht-zu-aktuellen-erkenntnissen-und-potentiellen-risiken/
[2]https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/196324
[3]https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)31809-9/fulltext