Bewusstes Leben – was heißt das überhaupt?

Ein Mann sitzt zwischen hohen Gräsern in einer Wiese und meditiert, um sein bewusstes Leben zu zelebrieren..

Unser Wunsch nach mehr Bewusstsein spiegelt sich nicht nur im Hinblick auf gesellschaftliche Themen wider. Das Leitmotiv „Bewusstes Leben“ begleitet viele Menschen auch durch ihren persönlichen Alltag. Bewusstes Fühlen und Handeln sind die Voraussetzungen für ein solches Leben. Leichter gesagt als getan. Denn wir alle sind, nicht selten unbemerkt, inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt. Probleme lösen wir über bewährte Heuristiken, also vorgegebene Muster zur Problemlösung. Dennoch glauben wir, Entscheidungen bewusst getroffen zu haben. Wie können wir solche Automatismen im alltäglichen Leben erkennen?

Was ist Bewusstsein? Ein Überblick

Um ein Gespür dafür zu bekommen, wie wir bewusster bei uns sein können, müssen wir zunächst klären, was das Bewusstsein eigentlich ist. Das ist kein einfaches Vorhaben, denn das Bewusstsein ist für uns nicht greifbar. Entsprechend kompliziert ist die Einordnung des Begriffs. Zahlreiche Denker und Wissenschaftler haben sich schon den Kopf darüber zerbrochen. Was ist Bewusstsein? Wo entsteht es und wie wird es beeinflusst? Verschaffen wir uns einen Überblick.

Der Begriff des Bewusstseins in der Philosophie

Die Philosophie wagte als erste aller Disziplinen den Versuch, das menschliche Bewusstsein in Worte zu fassen. Die große Frage war, in welchem Verhältnis das Bewusstsein, auch „Geist“ oder „Seele“ genannt, zum Körper und damit zur materiellen Welt steht.

Platon und Aristoteles

Platon vertrat die Ansicht, dass die Seele den Körper überdauert. Er ging davon aus, dass die Seele unabhängig von der wandelbaren Welt zur Erkenntnis fähig ist und zur absoluten Wahrheit gelangen kann. Sein Schüler Aristoteles hingegen war der Überzeugung, dass Leib und Seele eine feste Einheit bilden. Diese beiden Betrachtungsweisen bezeichnet man als „Dualismus“ bzw. „Monismus“ (lateinisch „dualis“ = „zwei enthaltend“, griechisch „mónos“ = „allein, einzig“). Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Positionen hat auch lange danach keine Lösung gebracht. Das sogenannte Leib-Seele-Problem überdauerte, bis ein französischer Philosoph die zündende Idee hatte.

Vier Büsten von bekannten griechischen Philosophen.
Bereits Philosophen der griechischen Antike machten sich Gedanken über das Bewusstsein.© CC0 / morhamedufmg

René Descartes

Der vermutlich bekannteste Grundsatz in der Philosophie sollte die gegensätzlichen Ansichten miteinander verbinden: „Cogito, ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“). Mit seiner knappen, aber auf den Punkt gebrachten Aussage erklärte René Descartes 1641 die unweigerliche Wechselwirkung zwischen Körper und Geist. Danach beeinflussen sich Gedanken und Materie gegenseitig und haben beide ihre Daseinsberechtigung.

Der Begriff des Bewusstseins in der Psychologie

Die Philosophie konnte den Bewusstseinsbegriff zwar bis heute nicht eindeutig eingrenzen. Dennoch hat sie etwas bewirkt: Sie forderte jüngere Disziplinen wie die Psychologie dazu heraus, die blinden Flecken des menschlichen Bewusstseins weiter zu erforschen. Psychologen haben seit dem 19. Jahrhundert wissenschaftliche Methoden entwickelt, die unser Bewusstsein greifbarer machen sollten.

Durch die Erfindung technischer Hilfsmittel konnten Forscher schließlich nicht nur mutmaßen, sondern unser Bewusstsein auch immer besser verorten. Bildgebende Verfahren in den Neurowissenschaften sind mittlerweile in der Lage, viele mentale Prozesse sichtbar zu machen. Sie ermöglichen es, Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in der Verarbeitung von Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen in den verschiedenen Hirnregionen auszumachen.

Der Begriff des Bewusstseins in den Naturwissenschaften

Die Naturwissenschaften haben zu einem neuen Verständnis von Bewusstsein beigetragen. Bewusstsein ist demnach das Erleben mentaler Zustände und Prozesse, die durch biochemische Moleküle und elektrische Impulse im Gehirn umgesetzt werden. Diese Prozesse lassen sich auf natürliche Weise und ohne Fremdeinwirkung beeinflussen. Man kann sie zuweilen aber auch unter Einfluss von Substanzen oder mit Hilfe Dritter verändern.

In der Psychologie spricht man von Bewusstseinszuständen, wenn verschiedene Abstufungen des menschlichen Bewusstseins erreicht werden, z. B. bei der Meditation. Die Meditation oder Autosuggestion ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir Menschen unser Bewusstsein steuern und verändern können. Es ist also sinnvoll, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf unser Bewusstsein lenken. Damit beeinflussen wir unsere Wahrnehmung der Welt um uns herum, aber auch die Wahrnehmung unserer selbst.

Ein Mann sitzt mit nacktem Oberkörper im Schneidersitz und meditiert.
Durch Meditation werden wir in eine tiefe Entspannung versetzt, die unter anderem Stress mindert.© CC0 / cottonbro

Bewusstes Leben heißt, Multitasking zu vermeiden

Nicht alle Reize aus unserer unmittelbaren Umgebung dringen in unser Bewusstsein vor. Die meiste Zeit ist das gut so, denn wir sind tagtäglich unzähligen Sinnesreizen ausgesetzt. Unser Gehirn muss unweigerlich Informationen, die für unser Überleben von Bedeutung sein könnten, für uns herausfiltern. Das menschliche Gehirn ist zwar komplex und verfügt über Fähigkeiten, die wir bis heute nicht vollständig begreifen können. Dennoch ist es gerade dann schnell überfordert, wenn es mehrere Reize gleichzeitig verarbeiten soll.

Wir können genau genommen nur einem „Faden“ mit voller Aufmerksamkeit folgen. Nur bei automatisierten Prozessen ist es etwas anders.  Wenn wir etwas bereits viele Male geübt haben und im Schlaf beherrschen, können wir mehrere Dinge gleichzeitig machen. Multitasking kommt mit einer weniger konzentrierten Wahrnehmung aus, die sich schnell umlenken lässt.

Der ständige Wechsel in der Wahrnehmung führt allerdings dazu, dass Informationen kaum über die kurze Aufmerksamkeitsspanne hinaus verarbeitet werden. Sie werden sozusagen daran gehindert, in die Annalen des Langzeitgedächtnisses einzugehen. Ohne Phasen der Konsolidierung, ohne Verinnerlichung also, können wir uns oftmals an Ereignisse nicht mehr erinnern und müssen sie mühsam rekonstruieren. Evolutionär betrachtet hat der Mensch zwar eine Veranlagung zum Multitasking, um auf Gefahren schnell reagieren zu können. Gleichzeitig ist er aber ein soziales Wesen. Und in der Gemeinschaft lässt sich Aufmerksamkeit besser auf mehrere Schultern verteilen, wodurch das Individuum entlastet wird.

Mit Ruhe und Regeneration ein bewusstes Leben führen

Um bewusst zu handeln und auf Gefahrensituationen vorbereitet zu sein, müssen Mensch und Tier zyklisch Phasen der Ruhe und Regeneration durchlaufen. Schlaf ist deshalb eine geniale Erfindung der Biologie. Seine Funktion beschränkt sich beim Menschen nicht nur auf regenerative Prozesse, sondern auch auf die Verinnerlichung von Erlebnissen und die Energiespeicherung. Ruhe und Rückzug sind die Energiequellen für unser Bewusstsein.

In einer Gesellschaft, die in Leistung ihr wichtigstes Bewertungskriterium sieht, kommen wir jedoch kaum zur Ruhe. Bei dem Tempo verändert sich auch unser Bewusstsein. Man könnte sagen, dass wir uns durch Hektik und die ständig geforderte Produktivität kein Bewusstsein mehr leisten wollen.

Das menschliche Gehirn braucht Ruhephasen, um sich regenerieren und neue Reize verarbeiten zu können. Ebenso benötigt der Mensch als Ganzes die Zeit der Regeneration, um seinem Bewusstsein nachgehen zu können oder in verschiedene Bewusstseinszustände zu wechseln. Schlaf, Meditation, Tagträumen und Flow-Erfahrungen sind gewissermaßen die Kurorte für unser Bewusstsein. Wir können uns darin erholen und Kraft tanken.

Frau liegt mit ihrer Katze im Bett und schläft.
Erholsamer Schlaf ist wichtig für unser Bewusstsein – hier finden Sie Tipps, wie Sie besser einschlafen können.© CC0 / Craig Adderley

In einer Lebenswirklichkeit voller Vergleiche und Ablenkungsmöglichkeiten ist es allerdings nicht einfach, eine Pause einzulegen. Dabei kann nur aus der Beschäftigung damit, was Bewusstsein ist, bewusstes Handeln entstehen. Wir müssen uns selbst kennen und die wichtigen Reize von den unwichtigen unterscheiden können. Dann treffen wir leichter die Entscheidungen, die wir bewusst treffen wollen und die uns zufrieden machen.

Bewusstes Leben – Dissonanz vermeiden

Wenn wir uns keine Zeit für bewusste Entscheidungen nehmen, besteht die Gefahr der Dissonanz. Dabei handelt es sich um einen Begriff aus der Psychologie. Er bezeichnet unter anderem den Widerspruch zwischen unseren Werten und unseren Handlungen. Wir spüren eine innere Spannung, wenn wir uns nicht unserem Selbstbild entsprechend verhalten. Nehmen wir uns dann nicht die Zeit, uns mit unserem Handeln auseinanderzusetzen, besteht die Gefahr, dass wir es bereuen. Menschen, die mit sich selbst im Reinen sein wollen, gehen Gefühlen der Dissonanz nach. Sie versuchen vor wichtigen Entscheidungen, bewusst innezuhalten und nach ihren persönlichen Antworten zu suchen.

Verantwortungsvolle Entscheidungen für ein bewusstes Leben treffen

Bewusstsein schafft lebhafte Erinnerungen. Einerseits nehmen wir uns Zeit für eine Erfahrung und erleben diese bewusst. Andererseits wissen wir rückblickend noch genau, warum wir uns so und nicht anders verhalten haben. Ein solches Handeln kann manchmal schmerzvoll und kräftezehrend sein kann und wir würden unsere Entscheidungen manchmal am liebsten anderen überlassen. Dennoch: Sich den äußeren Umstände anzupassen und seine Verantwortung auf die Umstände abzuschieben, ist weder beeindruckend noch außergewöhnlich. Mutig ist es hingegen, sich mit seinen eigenen Wertvorstellungen auseinanderzusetzen und ein verantwortungsvolles Leben zu leben. Bewusstsein erfordert also den Mut, den wir für die Veränderung der Welt brauchen.

Wie sieht der Weg zu einem bewussten Leben aus?

Ein Geheimrezept für größeres Bewusstsein gibt es nicht. Aber es gibt zahlreiche Strategien, wie wir über den Kontakt zu uns selbst in einen dauerhaften Austausch mit unserem Bewusstsein kommen können. Jeder wird in einer anderen Methode den richtigen Ansatz für sich finden.

Eine Frau liest ein Buch.
In einem Buch schmökern und andere Störungsquellen ausschalten – auch das kann helfen, bewusster zu leben.© CC0 / Rahul Shah

Das Schöne ist, dass sich Bewusstsein nicht erzwingen lässt. Manchmal passiert es unerwartet, dass man sich seiner selbst zutiefst bewusst ist. Auf diese Signale mit Aufmerksamkeit zu reagieren und sie gut für sich zu nutzen, ist die eigentliche Kunst. Hier sind einige Vorschläge für ein bewusstes Leben.

10 Tipps für ein bewussteres Leben

  1. Bedenken Sie, dass gewisse Gedanken, Werte, Assoziationen und Weltanschauungen erlernt bzw. anerzogen sind. Wir haben sie uns angeeignet, weil wir glauben, nur so den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Überprüfen Sie Ihre Annahmen über die Welt ganz bewusst.
  2. Ziehen Sie sich aus der „Masse“ zurück. In Gruppen verhalten sich Menschen angepasster, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Nehmen Sie das Risiko in Kauf, von Ihren Mitmenschen als „anders“ wahrgenommen zu werden. Haben Sie Vertrauen in sich selbst.
  3. Gehen Sie Provokationen oder Verlockungen gezielt aus dem Weg. Lassen Sie sich nicht zu Reaktionen verleiten, die Ihrer Haltung und Ihrem angestrebten Selbstbild widersprechen.
  4. Informieren Sie sich gezielt und ausführlich über bestimmte Themen. Wenn Sie eine eigene Haltung entwickeln, hilft Ihnen das dabei, Ihre persönlichen Grenzen zu kennen und zu wahren. Auch in Situationen, in denen es Ihnen schwerfällt, an Ihre Werte zu glauben.
  5. Nehmen Sie Hilfe an und verschaffen Sie sich auf diese Weise Zeit. Das Bewusstsein ist – ebenso wie wir – auf Ressourcen angewiesen.
  6. Wenden Sie Entspannungstechniken an und gönnen Sie sich zwischendurch Ruhe. Schaffen Sie kleine Inseln des Bewusstseins im Alltag.
  7. Praktizieren Sie Selbstfürsorge. Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst.
  8. Kaufen Sie bewusst ein. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit dafür und kaufen Sie das, was Sie wirklich brauchen, in guter Qualität. Machen Sie von der Shareconomy Gebrauch und konsumieren Sie bewusst.
  9. Hören Sie anderen Menschen wirklich zu. Verzichten Sie darauf, Ihre eigene Meinung in den Vordergrund zu stellen. Lassen Sie sich auf Ihr Gegenüber ein.
  10. Konzentrieren Sie sich voll und ganz auf eine Tätigkeit. Schalten Sie alle Störungsquellen aus. Vielleicht gelingt es Ihnen sogar, in den Flow zu kommen.

 

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