„Der mit Abstand größte Kohlenstoffspeicher ist der Boden“

Es lohnt sich, den Boden genau im Blick zu behalten. Er ist der größte Kohlenstoffspeicher.

Der Boden ist eine der wertvollsten Ressourcen, die wir haben. Er bietet unzähligen Pflanzen und Tieren Lebensraum, versorgt uns mit Nahrung und ist, neben den Meeren, der größte Kohlenstoffspeicher der Erde. Beuten wir ihn aus, hat das fatale Folgen. Hier setzt die Beratungsfirma Soil & More an. Diese hat sich auf die Bodenfruchtbarkeit und Kompostierung sowie die Entwicklung und Umsetzung pragmatischer Nachhaltigkeitsstrategien in der Lebensmittel- und Agrarbranche spezialisiert. Anhand der Förderung von Kompostierungsprojekten können Unternehmen wie auch Waschbär bei Soil & More sogenannte „Emissionsrechte“ erwerben, um anfallende CO2-Emissionen im Unternehmen zu kompensieren. Im Interview mit Tobias Bandel, Geschäftsführer von Soil & More, haben wir über die Rolle, die Kompostierung für einen gesunden Boden spielt und was sie mit Klimaschutz zu tun hat, gesprochen.Seit 10 Jahren Zeichen für Bodenschutz: das Soil & More Logo

Interview mit Tobias Bandel von Soil & More

Was fasziniert Sie an dem Thema Boden?

Ich wollte ursprünglich Astronom werden, habe dann aber meinen Zivildienst 1998 in Sekem gemacht. (Anm. d. Red.: Die SEKEM-Initiative ist ein Kompostierungsprojekt, das Land in der ägyptischen Wüste durch biologische-dynamische Anbaumethoden revitalisiert und fruchtbar macht.) Dort habe ich die tote Wüste gesehen, aber gleichzeitig auch, wie man sie durch Kompostierung wiederbeleben kann. Dieses kleine Wunder hat mich inspiriert und ich habe mich dadurch in den Boden verliebt. Wenn man richtig mit ihm umgeht, hat man gesunde Pflanzen und gesunde Menschen. Und das fasziniert mich, weil es sprichwörtlich so bodenständig ist – er ist etwas zum Anfassen und es ist recht simpel, damit umzugehen.

In der Landwirtschaft läuft beim Umgang mit dem Boden trotzdem vieles falsch. Was kann man dagegen tun?

Gewöhnlich wird der Boden für ein Medium gehalten, das Nährstoffe enthält und in dem Pflanzen wachsen. Man holt Pflanzen und Nährstoffe heraus und irgendwann ist das Lager leer. Das ist natürlich eine Einbahnstraßenwirtschaft. Die konventionelle Landwirtschaft versucht, dies durch Kunstdüngerzugaben zu kompensieren. Bei zunehmender Kunstdüngerzugabe – im wesentlichen Salze wie Ammoniumnitrat und Harnstoff – wird Humus im Boden zersetzt. Man führt der Pflanze in dem Teufelskreis bei abnehmendem Humusgehalt mehr und mehr Nährstoffe zu, damit sie am Leben bleibt. Aber der Boden wird weiter abgebaut, was auch zu Erosionen führt. Das ist weltweit eines der größten Probleme. Hier kann man mit Kompost ansetzen: Der Grundgedanke der Kompostierung ist, dass man in den Kreislauf geht. Also dem Boden nicht nur Dinge entzieht, sondern über eine sinnvolle Zurückführung von Nährstoffen, durch Kompost, dem Boden die Chance gibt, sich zu regenerieren.

Wie funktioniert das genau mit der Kompostierung?

Schicht für Schicht wäschst der Komposthaufen unter Anleitung der Profis.
Auch Kompostieren will gelernt sein: In Workshops wie hier in Ghana lernen die Bauern, wie sie Pflanzenreste am besten kombinieren.© soil&more

Wir bei Soil & More sagen: Es gibt viele Wege nach Rom. Wir arbeiten mit Kleinstbauern mit 1 bis 2 Hektar Land in Kenia bis hin zu Landwirten mit 1000 Hektar großen Bananenplantagen in Ecuador. Bei der Kompostierung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Ein extremes Beispiel: Bei dem Kakao Agroforstsystem in Ghana werden die Kakaoschoten vom Ast geschlagen, man holt die Bohnen heraus und die Hüllen bleiben auf dem Boden liegen. Nach Kochbuchrezept müsste der Landwirt nun alle Hüllen einsammeln, einen großen Komposthaufen daraus machen, wie eine Lasagne schichten und umschichten, wenn es zu heiß wird. Das funktioniert in der Theorie, wird aber in der Realität aufgrund des Mehraufwands wahrscheinlich nicht passieren. Daher entwickeln wir mit diesen Landwirten eine Flächenkompostierung. Das heißt es wird ein kleiner Komposthaufen mit ein paar Hüllen angelegt, um Mikroorganismen im Haufen zu vermehren. Diese werden im Wasser angerührt und das Ganze lässt sich relativ entspannt mit der Rückenspritze im Feld austragen. Es ist zwar weniger effektiv, als das Anlegen eines großen Komposthaufens, aber anders würde es gar nicht passieren. Da sind wir sehr pragmatisch und schauen, was sich ganz real vor Ort umsetzen lässt.

Boden kann eine Rolle beim Klimaschutz spielen. Können Sie uns diesen Zusammenhang erklären?

Wenn wir an Klimaschutz denken, denken wir häufig an Bäume pflanzen. Das ist auch wichtig. Aber wenn wir uns die Verteilung des Kohlenstoffs angucken, dann ist etwa ein Viertel des terrestrischen Kohlenstoffs im Regenwald in den Pflanzen gebunden, ein weiteres Viertel in den Kohlelagerstätten, aber knapp 50 Prozent in den knapp 30 cm Oberboden. Der mit Abstand größte Kohlenstoffspeicher ist also der Boden. Es ist daher in der Landwirtschaft von extremer Relevanz, wie ich ihn bewirtschafte. Baue ich ihn ab, habe ich ein Klimaproblem, baue ich ihn auf, habe ich keins.

Bei der Kompostierung wird ähnlich viel CO2 freigesetzt, wie die Pflanzen zuvor aus der Atmosphäre aufgenommen haben. In welcher Form trägt Kompostierung dennoch zum Klimaschutz bei?

Klar, wird bei der Kompostierung immer CO2 frei. Auch beim gesunden biologisch-dynamischen Boden, weil CO2 immer auch ein Indikator für Leben ist. Es ist nur die Frage wie viel. Bei einem Haufen Biomasse auf dem Feld, zum Beispiel einem Misthaufen, wird beispielsweise nicht nur CO2 frei, sondern durch den Ausschluss von Sauerstoff vor allem auch Methan. Und das hat eine 21-mal stärkere Treibhausgasbildung als CO2. Das ist ein Aspekt, der sich bei der Kompostierung vermeiden lässt. Da wird nur CO2 frei und fast kein Methan oder Lachgas. Wenn ich Biomasse wie den Misthaufen einfach auf dem Boden liegen lasse, verliert sie durch die entweichenden Gase auch an Energie. Wenn ich die Biomasse stattdessen aber kompostiere, wird sie nicht nur abgebaut, sondern umgebaut. Damit tue ich etwas für die Erhaltung des Bodens und leiste zeitgleich einen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen.

Im Klimaschutz ist es strittig, ob die Reduktion von Treibhausgasen oder die vorbeugende Vermeidung von CO2-Emissionen effektiver ist. Welche Maßnahmen halten Sie für zukunftsfähig?

Auf die Frage, was der Welt weiterhelfen würde, ist meine ehrliche Antwort: weniger wegfliegen, weniger kaufen, weniger verbrauchen, weniger Essen wegschmeißen. Außerdem ist Nachhaltigkeit ein ganzheitliches Thema, CO2 ist nur ein Teil davon. Es gehören verschiedene Sachen zum Klimaschutz, da muss man konstruktive Kompromisse machen. Wenn wir wirklich nachhaltig auf der Welt leben wollen, geht es mehr um die Optimierung des Gesamtsystems als um die Maximierung einer Sache wie Klimaschutz durch das Vermeiden von CO2. Hier kommt wieder der Boden ins Spiel: Das Schöne daran und am Kompost ist, dass sie in verschiedene Richtungen wirken: Es geht nicht nur um CO2, sondern auch um Wasser, Biodiversität, Gesundheit, Produktivität usw.

Was kann ich als Verbraucher in Sachen Kompostierung tun, um etwas zum Klimaschutz beizutragen?

Bei Kompostierung sind die Möglichkeiten eingeschränkt, wenn man im 17. Stock auf 20 Quadratmetern wohnt. Aber wenn es die Möglichkeit gibt, den Müll zu trennen, wäre das das einfachste. Für den Garten oder den Balkon gibt es relativ einfache Kompostierungssysteme, die auch nicht stinken. Man kann noch einen Schritt weitergehen und sich Kompostwürmer kaufen. Man sollte einfach versuchen, die Biomasse nicht als Abfall anzusehen, sondern als Wertstoff. Und natürlich schauen, dass man alles, was man kauft, auch isst, damit nicht so viel Kompost anfällt.

 

Zur Person:
Tobias Bandel, Jahrgang 1979, studierte Agrarwissenschaften mit dem Schwerpunkt Bodenkunde an der Universität Hohenheim, bevor es ihn nach Ägypten zu Sekem zog. Bei Sekem handelt es sich um eine Initiative zur Erzeugung und Verarbeitung von Bio-Produkten. Dort leitete er von 2003 bis 2006 den Obst-und Gemüseanbau und dessen Vertrieb. Nach kurzzeitiger Tätigkeit als landwirtschaftlicher Berater bei der niederländischen Firma Eosta für Bio-Obst und -Gemüse, gründete Bandel gemeinsam mit zwei Partnern Soil & More International BV. Als Geschäftsführer berät Tobias Bandel nach wie vor persönlich vor Ort Landwirte aus unterschiedlichsten Ländern zur Kompostierung und Gesunderhaltung ihrer Böden.

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