Farben im Kinderzimmer: Weniger ist mehr

Spielende Kinder in einem gelb-orange gehaltenen Bereich des Kinderzimmers

Wie Farben auf Kinder wirken, ist weitgehend erforscht. Dennoch hält diese Wissenschaft nur zögernd Einzug in die Kinderzimmer. Das Bewusstsein für den Einsatz schadstoffarmer und nachhaltiger Materialien im Kinderzimmer ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Farbexperten wie Prof. em. Axel Venn und Dipolm-Psychologin Annette Peters beobachten jedoch, dass viele Familien die Wirkung von Farben nur selten berücksichtigen.

Zwei Bereiche fürs Kinderzimmer: Die Wirkung von Farben

„Junge Eltern machen Kinderzimmer gerne bunt“, sagt Axel Venn, emeritierter Professor für Farbgestaltung an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim. „Es wird sehr viel Liebe in die Gestaltung gesteckt und im Prinzip kann man sagen: je bunter, desto größer die Liebe.“ Der Experte ist davon überzeugt, dass die Vielfalt der Farben die Empfindungen von Kindern fördert und freut sich über das Engagement der Eltern. „Es gibt eine Regel für jeden Raum: eine Hälfte ist der Bereich zum Beruhigen und Relaxen. Die andere Hälfte darf anregend und spannend sein und Platz für fantasievolle Entfaltung bieten.“ Um Ruhe in einen Bereich zu bringen, rät der Experte zu neutralen Farben wie Kalk-, Sonnen- und Sorbet-Tönen. „In der anderen Hälfte kommen bunte und pastellige Farben zum Einsatz, die sich sehr gut mit Spieltüchern, Vorhängen, Bettwäsche und Teppichen erzielen lassen“, empfiehlt der Farbexperte. Seine Devise lautet: Weniger ist mehr.

Zwei Funktionsbereiche im Kinderzimmer – einen mit ruhigen Farbtönen und einen anregenden mit bunten Farben – empfiehlt auch Annette Peters. Die Diplom-Psychologin aus Regensburg hat sich auf Architektur spezialisiert und mit Kolleginnen ein Beratungsbüro in München gegründet. „Die Kenntnisse, die wir in Anwendung bringen, basieren auf wissenschaftlichen Studien und den daraus gewonnenen Daten. Wir pendeln nicht aus. Wir erstellen saubere Studien, die jederzeit nachvollziehbar sind“, so die Farbexpertin.

Die große Farbauswahl erschwert die Entscheidung.
Welche Farbe ist die beste? Kommt ganz darauf an, um welchen Bereich im Kinderzimmer es geht.

Architekturpsychologin Annette Peters rät: Kinder bei der Farbwahl für ihr Zimmer einbeziehen

Die Architekturpsychologin empfiehlt: „Es ist wichtig, Kindern genau zuzuhören, um zu verstehen, was gewünscht ist. Viele Kinderzimmer sind weiß gestrichen, obwohl Studien belegen, dass Kinder Weiß nicht mögen.“ Doch es gibt Grenzen. Obwohl fast allen Kindern die Farbe Rot gefällt, ist Vorsicht im Umgang mit dieser Farbe im Schlafbereich geboten. „Rot steigert den Puls und ist nicht ohne Grund eine Warnfarbe. Im Aktionsbereich regen sanfte Rottöne an, im Schlafbereich lässt sich beispielsweise mit blauen Tönen die gewünschte Beruhigung erzeugen“, so Peters.

Die Wirkung von Farben fasziniert die Psychologin immer wieder aufs Neue. Insbesondere dann, wenn sie mit messbaren Werten nachgewiesen werden kann. Zu ihren „Lieblingsexperimenten“ gehört eine Studie, in der Probanden in zwei mit jeweils 20 Grad Celsius beheizten Räumen die Temperatur einschätzen sollten. Einer der Räume war rot gestrichen, der andere blau. Das Ergebnis war bei allen Testpersonen gleich: im roten Raum wurden die Temperaturen höher eingeschätzt als 20 Grad, im blauen Raum deutlich geringer.

Professor em. Axel Venn: Deko-Motive wirken auf Kinder anders als auf Erwachsene

„Häufig entwickeln Erwachsene Elemente für Kinderzimmer aus Comics wie Micky Maus, Donald Duck oder Cyberspace. Die mögen Kinder eigentlich nicht, weil sie zu technokratisch sind“, glaubt Farbexperte Axel Venn. Und er geht noch weiter: „Manchen Kindern machen sie sogar Angst.“ Das Kinderzimmer solle nach seiner Ansicht ein geschützter Raum sein, in den Geschmacklosigkeiten einfach nicht hineingehören sollten. Erlaubt sind nach Ansicht des Designprofessors träumerische Motive, die sich nicht zu sehr in den Vordergrund drängen. Kinder könnten auch ihre eigenen Comics auf die Wände malen oder andere Eigen-Kreationen. Egal ob Rosa, Rot oder Schwarz – alles ist erlaubt. „Wenn die Wahl der Farbe zu dunkel ist, dürfen Eltern eingreifen und ins Hellere übergeben. Farben sollten nicht laut sein“, so Professor Axel Venn. Aus Sicht des Farbexperten sind Kinderzimmer keine Therapiezimmer, sondern Räume, in denen Kinder lernen und spielen. Daher ist es die Aufgabe der Eltern, Freiraum für die Selbstentfaltung der Kinder zu schaffen.

Eigene Gestaltungsmöglichkeiten fördern Kreativität und Wohlbefinden von Kindern

Selbst gehäkelte Tierfiguren sind bei vielen Kindern beliebt. Ein solches Mobile können Kinder selbst gestalten.

Am besten entfalten Kinder ihre Kreativität, wenn sie mitbestimmen dürfen, so die Auffassung von Architekturpsychologin Annette Peters. Sie rät allerdings vom Kauf fertiger Zimmereinrichtungen mit Motiven wie „Pirat“, „Prinzessin“ oder „Rennwagen“ ab. „Die Begeisterung der Kinder für diese Bausätze ist im ersten Augenblick sehr groß, flaut dann aber sehr schnell ab“, weiß die Psychologin. „Kinder können zu einer vorgegebenen Dekoration keinen Bezug entwickeln, weil sie damit nichts verbinden. Sehr viel sinnvoller ist es, die Dekoration gemeinsam mit dem Kind herzustellen.“ Die Möglichkeiten dazu sind einfach und bieten der Familie Gelegenheit, sich gemeinsam Gedanken über die Gestaltung zu machen. Mit selbst gemalten Bildern und Fotos von Familie und Freunden betrachten Kinder ihr Zimmer eher als ihr eigenes Reich – und fühlen sich damit sehr viel wohler. Ganz besonders viel Spaß macht es den Kindern, ihr Zimmer mit jahreszeitlichen Dingen wie Herbstlaubgirlanden, Kastanienmännchen, einem Schneemann aus Watte und mit Wiesenblumen zu schmücken.

Wände, die Geschichten erzählen, sind für Kinder sehr wichtig. „Ich werde häufig gefragt, ob es eine Farbe gibt, die Kindern beim Einschlafen hilft“, so Farbexperte Venn. „Aus meiner Sicht ist eine erlebnisreiche Umgebung eine sehr gute Unterstützung beim Einschlafen für große und kleine Kinder.“ Am besten sei es natürlich, eine Geschichte vorgelesen oder erzählt zu bekommen. Individuell gestaltete Wände, die das Kind vom Bett aus im Blick hat, haben einen ähnlichen Effekt.

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